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Arbeitsrecht

26. Juni 2013

Landesarbeitsgericht München: Grenzen der Beratungspflicht des Arbeitgebers

Es ist grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers, für ausreichenden privaten Versicherungsschutz (hier gegen das Risiko eines Lohnausfalls wegen langfristiger krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit) zu sorgen. Eine arbeitsvertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers, seine Mitarbeiter darauf hinzuweisen, dass sich aufgrund einer Tarifänderung ein zusätzlicher Versicherungsbedarf (hier: Krankentagegeldversicherung) ergibt besteht nicht. Ein Arbeitgeber ist jedenfalls nicht dazu verpflichtet, sicherzustellen, daß wichtige Informationen über die Auswirkungen geänderter Tarifbestimmungen auf den Bedarf nach einer privaten Versicherung von den betroffenen Arbeitnehmern auch gelesen oder sonst zur Kenntnis genommen werden.

Ein Mitarbeiter einer Sparkasse war langfristig erkrankt. Der Arbeitgeber leistete während der Erkrankungszeit Entgeltfortzahlung entsprechend dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren TVöD für die Dauer von sechs Wochen. Der Arbeitnehmer verlangte Entgeltfortzahlung über den tariflichen 6-Wochen-Zeitraum hinaus. Er begründete seinen Anspruch damit, dass der Arbeitgeber ihn auf die Auswirkungen der Ablösung des früher gültigen BAT-Tarifvertrages durch den TVöD auf den Entgelfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall hätte hinweisen müssen. Nach BAT schuldete der Arbeitgeber nämlich noch Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von 26 Wochen. Durch den TVöD wurde der Entgeltfortzahlungszeitraum – in Anlehnung an die gesetzliche Regelung im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) – auf sechs Wochen verkürzt. Der Arbeitgeber hätte dem Arbeitnehmer, so dessen Auffassung, zum Abschluss einer (oder ggf. zur Anpassung einer schon bestehenden) privaten Krankentagegeldversicherung raten müssen um das infolge der Tarifänderung erheblich erhöhte Lohnausfallrisiko im Krankheitsfalle adäquat abzusichern. Die Verletzung dieser Verpflichtung führe zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers, dessen Berechnung und Höhe im einzelnen streitig geblieben ist.

Der beklagte Arbeitgeber (Rechtsträger der Sparkasse) hatte indessen über das interne Intranet alle Mitarbeiter über die Neuerungen infolge der Umstellung auf den TVöD informiert, auch über die Folgen der geänderten Entgeltfortzahlungsregelungen und den sich daraus ergebenden (zusätzlichen) Versicherungsbedarf.

Dagegen hat der Arbeitnehmer eingewandt, bei der Flut der Informationen, die ihm täglich über das interne Intranet zugehen könne der Arbeitgeber nicht erwarten, dass die Beschäftigten solche wichtigen Hinweise ausreichend zur Kenntnis nehmen. Der Arbeitgeber müsse bei so wichtigen Fragen, wie dem Lohnausfallrisiko im Krankheitsfalle und dessen Absicherung durch eine Krankentagegeldversicherung sicherstellen, dass entsprechende Informationen durch die Arbeitnehmer auch zur Kenntnis genommen werden. Die Verletzung dieser Pflicht führe gleichfalls zu Schadenersatzansprüchen des betroffenen Arbeitnehmers.

Dieser Auffassung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) wie zuvor schon das Arbeitsgericht (ArbG) München  (Kammer Ingolstadt) widersprochen. Es gebe schon keine „generelle Rechtspflicht … des Arbeitgebers, ... die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers zu wahren“. Es sei zunächst Sache jedes Vertragspartners, seine eigenen Interessen wahrzunehmen. Der Arbeitgeber sei danach schon nicht verpflichtet gewesen, dem Arbeitnehmer den Abschluss einer Krankentagegeldversicherung nahe zu legen. Der Abschluss einer privaten Krankentagegeldversicherung unterliege der privatautonomen und eigenverantwortlichen Entscheidung des Arbeitnehmers.

Selbst wenn den Arbeitgeber eine Verpflichtung treffen sollte, den Arbeitnehmer über einen infolge  einer Tarifänderung entstandenen zusätzlichen Versicherungsbedarf zu belehren, hätte der beklagte Arbeitgeber diese Pflicht vorliegend schon durch Übersendung entsprechender Informationen über das firmeninterne Intranet erfüllt. Mehr als inhaltlich zutreffende und vollständige Informationen kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber keinesfalls verlangen. Der Arbeitgeber, so das LAG, sei nicht verpflichtet, sicherzustellen, daß wichtige Informationen von den Arbeitnehmern auch gelesen würden.

LAG München, Urteil vom 31.01.2013, Gz.: 4 Sa 789/12


 

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