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Allgemein

06. Februar 2015

Chefarztbehandlung durch den Oberarzt?

Kein zusätzliches Honorar für sog. "Chefarztbehandlung", wenn Oberarzt behandelt.

Bei einer Krankenhausbehandlung unterzeichnen Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung in aller Regel sog. Wahlleistungsvereinbarungen, die die Unterbringung in Komfortzimmern (1-Bett oder 2-Bett) und eine sog. Chefarztbehandlung beinhalten.

Für die Chefarztbehandlung muss der Privatpatient ein zusätzliches Honorar bezahlen, von dem der Chefarzt und das Krankenhaus profitieren. Besonders für Krankenhausträger dürfte das so erzielte Erlösaufkommen häufig von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein. In der privaten Krankenversicherung ist dieses Zusatzhonorar zumeist gedeckt. Viele Krankenversicherer bieten auch Zusatzversicherungen für Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung an, durch die solche Wahlleistungen gedeckt werden.

Ist das Zusatzhonorar für Chefarztbehandlung aber auch dann geschuldet, wenn der Chefarzt gar nicht selber behandelt, bspw. operiert, sondern "nur" der Oberarzt? Macht es dabei einen Unterschied, ob der Oberarzt in Wirklichkeit „kompetenter“ als der Chefarzt ist? Darüber hatte das Landgericht Freiburg in einem Berufungsverfahren zu entscheiden.

Stellte man nur auf den Inhalt des Chefarztvertrages ab, wäre das Zusatzhonorar in diesen Fällen klar nicht geschuldet weil der Chefarzt die von ihm versprochene persönliche Behandlungsleistung schuldig geblieben wäre. Für eine nicht erbrachte Leistung kann naturgemäß keine Vergütung verlangt werden.

Allerdings unterschreibt der Privatpatient regelmäßig gleichzeitig mit dem Vertrag über die Durchführung einer Chefarztbehandlung auch eine sog.  Vertreterklausel oder Vertretervereinbarung, durch die sich der  Chefarzt die Möglichkeit vorbehält, sich durch einen anderen Arzt, typischerweise seinen  Oberarzt, vertreten zu lassen. Es liegt auf der Hand, dass durch solche Vertreterklauseln das eigentliche vertragliche Leistungsversprechen einer Behandlung durch den Chefarzt höchstpersönlich leerlaufen könnte.

Deshalb müssen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) Vertretervereinbarungen bestimmte Anforderungen erfüllen, um rechtswirksam zu sein. Eine formularmäßige Vertretervereinbarung darf sich nicht auf  alle künftigen Fälle einer Verhinderung des Chefarztes erstrecken sondern muss beschränkt werden auf unvorhersehbare Vertretungsfälle um zu verhindern, dass die vertragliche Leistungspflicht des Chefarztes durch die Vertretervereinbarung ausgehöhlt wird.

Weiter reichen die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten dagegen, wenn die Vertretervereinbarung individualvertraglich getroffen wird, m.a.W. einzelvertraglich mit dem Patienten ausgehandelt wird. Allerdings muss der Patient in diesem Falle umfangreich aufgeklärt werden. Er muss bspw. auf die Möglichkeit hingewiesen werden, auf die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen zu verzichten und die beabsichtigte Behandlung ohne Zuzahlung und unter Inanspruchnahme nur  der „normalen“ ärztlichen Krankenhausleistungen durchführen zu lassen. Ferner muss der Patient über eine kurz eventuell bestehende Möglichkeit einer Verschiebung und späteren Behandlung durch den Chefarzt in eigener Person informiert werden.

Die Vertretervereinbarung muss darüber hinaus so frühzeitig wie möglich vor Behandlungsbeginn und in schriftlicher Form getroffen werden.

In dem vom Landgericht Freiburg entschiedenen Fall war die Berufungskammer im Gegensatz  zum Amtsgericht Freiburg als erstinstanzlichem Gericht der Auffassung, dass die Vertretervereinbarung schon deshalb unwirksam war, weil sie nicht auch vom Chefarzt bzw. einem Krankenhausmitarbeiter als dessen Vertreter unterschrieben war, was zur Folge hatte, dass die zwingend vorgeschriebene Schriftform nicht gewahrt war.  Darüber hinaus hat das Berufungsgericht bemängelt, dass die Vertretervereinbarung nicht auch den Hinweis enthalten hat, dass die fragliche Operation auch ohne die Vereinbarung einer Chefarztbehandlung mit Vertreterklausel  durch den vertretenden Oberarzt durchgeführt worden wäre. Außerdem hätte der Patient auf die Vertretervereinbarung schon vorab, also vor Abschluss des Chefarztvertrages gesondert hingewiesen werden müssen, da im konkreten Falle die Vertretervereinbarung gleichzeitig mit dem Vertrag über die Chefarztbehandlung abgeschlossen worden ist, nämlich um zu verhindern, dass der Patient der Bedeutung  der Vertretervereinbarung nicht die nötige Aufmerksamkeit zukommen lässt.

Im Ergebnis war die Bezahlung des Zusatzhonorars für eine Chefarztbehandlung vom Patienten somit nicht geschuldet. Folglich konnte der Patient die Erstattung dieses Zusatzhonorars auch nicht von der im konkreten Verfahren beklagten privaten Krankheitskostenversicherung verlangen.

Fazit: Privatpatienten sollten bei stationären Behandlungen darauf achten, ob der Chefarzt seine vertraglichen Leistungspflichten erfüllt und sich persönlich um den Patienten  kümmert. Anderenfalls sollte man als Privatpatient zusätzliches  Honorar für eine Chefarztbehandlung nicht unkritisch bezahlen und ggf. seine private Krankenversicherung informieren.

(Az. des Landgerichts Freiburg: 3 S 82/14; Az. des Amtsgerichts Freiburg: 5 C 205/13)

zur o. wiedergegebenen Rechtsprechung des BGH vgl.: BGH, Urt. v. 20.12.2007, III ZR 144/07 = NJW 2008, 987

 

 

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