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26. Juni 2013

Unfallversicherung: Invaliditätsleistungen wegen Borreliose nach Zeckenbiss nur bei Nachweis einer Invalidität im Sinne der Versicherungsbedingungen auf der Grundlage des aktuellen, wissenschaftlich gesicherten medizinischen Erkenntnisstandes.

Nach einem neuen Urteil des OLG München wird der gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisstand nur durch die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie widergespiegelt, nicht auch durch die Leitlinien der Deutschen Borreliose Gesellschaft e. V.

Die Klägerin verlangt Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung. Nach deren Versicherungsbedingungen besteht u. a. Anspruch auf Versicherungsleistungen wenn der Versicherungsnehmer durch einen Zeckenbiss mit Borreliose-Erregern infiziert wird und infolgedessen (Teil-) Invalidität i.S.d. Versicherungsbedingungen eintritt. Die beklagte Versicherung hat die Zahlung von Versicherungsleistungen außergerichtlich abgelehnt und sich hierbei auf ein in ihrem Auftrag eingeholtes Sachverständigengutachten gestützt. Nach diesem Privatgutachten konnte nicht nachgewiesen werden, daß die Versicherungsnehmerin aufgrund einer Borreliose-Infektion durch Zeckenbiss dauerhaft in ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität i.S.d. Versicherungsbedingungen) ist.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und sich dabei auf ein in seinem Auftrag eingeholtes Sachverständigengutachten gestützt. Der gerichtliche Sachverständige ist zu dem gleichen Ergebnis gekommen, wie der außergerichtlich von der Versicherung beauftragte Privatgutachter. Beide Gutachter haben sich hauptsächlich an den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie orientiert.

Die Klägerin wendet sich gegen die Klageabweisung mit dem Rechtsmittel der Berufung. Sie rügt, dass das Landgericht verpflichtet gewesen wäre, ein sog. Obergutachten einzuholen.

Das OLG München war anderer Auffassung als die Klägerin und hat deren Berufung zurückgewiesen. Zur Einholung eines „Obergutachtens“ hätte keine Veranlassung bestanden – auch nicht vor dem Hintergrund, dass der vom Landgericht beauftragte wie zuvor schon der im Auftrag des Unfallversicherers tätige Sachverständige nur nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vorgegangen ist und nicht auch die Leitlinien der Deutschen Borreliose Gesellschaft befolgt hat. Der gerichtliche Sachverständige hat sich nach Auffassung des OLG München „… am aktuellen, wissenschaftlich gesicherten medizinischen Erkenntnisstand zu orientieren“. Diesem Standard entsprächen am besten die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie auf die sich auch das Robert-Koch-Institut als Bundesinstitut für Infektionskrankheiten und nicht übertragbare Krankheiten beziehen würde. Demgegenüber würden die Leitlinien der Deutschen Borreliose Gesellschaft e.V., einem Zusammenschluß von schwerpunktmäßig mit Borreliose befassten Ärzten, vom Robert-Koch-Institut nicht aufgeführt. Die Leitlinien der Deutschen Borreliose Gesellschaft e.V. verfügten auch nicht über die entsprechende internationale Akzeptanz und Anerkennung. Insgesamt seien „… die Leitlinien der Deutschen Borreliose Gesellschaft keine den gängigen Leitlinien vergleichbaren wissenschaftlich gesicherten medizinischen Erkenntnisse, die gleichrangig zu beachten wären“ wie die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

Damit erteilt das OLG München solchen Privatgutachten eine „Absage“, die, gestützt auf die Leitlinien der Deutschen Borreliose Gesellschaft e.V. insbesondere bei chronischen, unspezifischen Beschwerdebildern relativ rasch ein sog. Post-Lyme-Syndrom bzw. eine chronische Borreliose annehmen, die dann durch langfristige Antibiotikagaben therapiert werden sollen.

Konsequenz für die Praxis: Die Geltendmachung von Invaliditätsansprüchen durch Versicherungsnehmer in der privaten Unfallversicherung auf der Grundlage solcher Privatgutachten muss also kritisch beurteilt werden. Der (insbesondere auch labormedizinische) Nachweis einer (Teil-)Invalidität als Folge einer Borrelioseinfektion durch Zeckenbiss wird in der Regel nur schwierig zu führen sein.

OLG München, Urt. v. 17.05.2013, Gz.: 25 U 2548/12

 

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